Kategorie: News

  • Aussersihl bewegt – Lesung

    Aussersihl bewegt – Lesung

    Ein Fluss trennt Zürich in zwei Welten, rechts der Sihl das Bankenviertel um Bahnhofstrasse und Paradeplatz, links der Sihl das ehemalige Arbeiterviertel Aussersihl. Der Name ist seit jeher Programm. Alles, was innerhalb der Stadtmauern nicht sein soll, findet sich hier: das Siechenhaus, der Galgen, später die Fabriken. Hannes Lindenmeyer erzählt in seinem Buch: «Aussersihl bewegt. Der Zürcher Kreis 4» die Geschichte Aussersihls aus der Sicht jener Bewegten, die sich in Vereinen und Gruppierungen zusammenschlossen, um Häuser zu besetzen oder eine Baugenossenschaft zu gründen, für Frieden zu kämpfen, gleiches Recht für Frauen einzufordern oder Migration theatralisch aufzuarbeiten – kurz jener Menschen, die das «Ausser» in diesem aussergewöhnlichen Quartier ausmachen.

    Autor Hannes Lindenmeyer, geboren 1945 in Zürich, gehört selbst zu den Vereinern und Bewegern. Als Stadtgeograf und Stadtaktivist der ersten Stunde ist er seit über 40 Jahren unterwegs in den Strassen Aussersihls. Er versteht sich als Quartierhistoriker gemäss dem Grundsatz von Sven Lindqvist: «Grabe, wo du stehst.»

    Moderation: Christian Koller, Historiker und Leiter des Schweizerischen Sozialarchivs und Vorstandsmitglied von Einfach Zürich.
    Zürich im Buch ist eine Veranstaltungsreihe der Zentralbibliothek Zürich und von Einfach Zürich.

    Ort:               Zentralbibliothek Zürich – Zähringerplatz 6 – 8001 Zürich
    Datum:         22.06.2022 / 18.30 – 20.00 Uhr
    Eintritt frei – Platzzahl ist limitiert!                 Anmeldung für Ticketbezug

    Flyer

  • Aussersihl bewegt – Lesung und Gespräch im Café Boy

    Aussersihl bewegt

    Cafe Boy Aussersihl bewegt

    Ein Fluss trennt Zürich in zwei Welten, rechts der Sihl das Bankenviertel um Bahnhofstraße und Paradeplatz, links der Sihl das ehemalige Arbeiterviertel Aussersihl. Der Name ist seit jeher Programm. Alles, was innerhalb der Stadtmauern nicht sein soll, findet sich hier: das Siechenhaus, der Galgen, später die Fabriken.

    Im Buch Aussersihl bewegt erzählt Hannes Lindenmeyer die Geschichte des Quartiers aus Sicht jener Bewegten, die sich in Vereinen und Gruppierungen zusammenschlossen, um Häuser zu besetzen oder eine Baugenossenschaft zu gründen, für Frieden zu kämpfen, gleiches Recht für Frauen einzufordern oder Migration theatralisch aufzuarbeiten – kurz jener Menschen, die das «Ausser» in diesem außergewöhnlichen Quartier ausmachen.

    Lindenmeyer liest am Freitag, 12. November 2021 von 18.30-20.30 Uhr im Café Boy, Kochstrasse 2, 8004 Zürich aus Aussersihl bewegt und diskutiert mit Aktivistinnen und Aktivisten aus dem Quartier über die Entwicklung und Zukunft Aussersihls.

    Eintritt frei. Es gibt noch freie Plätze für die Veranstaltung (max. 50 Personen).
    Bitte vorgängig anmelden bei: marco.geissbuehler@rotpunktverlag.ch.

    Einlass nur mit Covid-Zertifikat und Ausweis möglich!

    Wer danach im Restaurant essen möchte, reserviert bitte hier.

    Flyer zur Veranstaltung

  • Rede von Corinne Mauch zur Buchvernissage Aussersihl Bewegt

    Vernissage Quartiergeschichte «Aussersihl bewegt» von Hannes Lindenmeyer
    Sonntag, 5. September 2021. Kanzleiturnhalle Zürich
    Rede Stadtpräsidentin Corine Mauch
    (Transkription aus dem Dialekt)

    Liebe Aussersihlerinnen
    Liebe Aussersihler
    Lieber Franco Taiana
    Lieber Hannes Lindenmeyer

    Wer Eltern fragt, welches ihrer Kinder ihnen am liebsten sei, wird auf der ganzen Welt die gleiche Antwort bekommen: Uns sind alle gleich lieb. Und so ist es auch mit den Zürcher Stadtquartieren: Für mich als Stadtpräsidentin gehören alle Quartiere gleichwertig zur Stadt. Ich möchte keines missen. Jedes Quartier hat seinen Charakter, hat wunderbare Orte und jedes Quartier hat auch seinen Unort.

    Aber was macht nun Aussersihl aus?
    Als ich als junge ETH-Studentin im Februar 1984 aus dem Aargau nach Zürich gezügelt habe, bin ich in Aussersihl, an der Hardstrasse, gelandet. Zürich, das ist für mich damals vor allem Aussersihl gewesen und dazu noch etwas ETH. In der jüngeren Geschichte unserer Stadt und in unserem Stadtleben, wie wir es kennen und schätzen, nimmt Aussersihl eine Sonderstellung ein. Allein schon, weil Zürich ohne Aussersihl nicht zur Nummer eins unter den Schweizer Städten geworden wäre.

    Die Stadtvereinigung von 1893 ist nicht einfach eine Eingemeindung von elf Aussengemeinden gewesen, sondern in erster Linie der Zusammenschluss der historischen Stadt mit der Arbeitervorstadt Aussersihl. Verschiedene Welten, verschiedene Kulturen und unterschiedliche Mentalitäten sind damals auf einander getroffen. Diese Verschmelzung hat Zürich erst zur Grossstadt gemacht.

    Die Quartiermonografie von Hannes Lindenmeyer beleuchtet die Geschichte Aussersihls und damit die Geschichte unserer Stadt mit scharfem Blick – und mit viel Sympathie. Das Buch «Aussersihl bewegt» zeigt verschiedenste Seiten der ehemaligen Arbeitervorstadt und des heutigen Kreis 4 anschaulich und spannend auf. Ich danke Hannes Lindenmeyer und dem Rotpunktverlag für dieses wertvolle Buch. In diesen Dank schliesse ich alle ein, die am Buch mitgewirkt haben und es finanziell mittragen.

    Auf drei Punkte in der neueren Zürcher Stadtgeschichte möchte ich kurz eingehen, die von den Entwicklungen in Aussersihl geprägt sind.
    – Die Gründe für die Stadtvereinigung von 1893,
    – die Rolle Aussersihls für die Zuwanderung und die Bedeutung der Migrant*innen für Zürich,
    – die Rolle Aussersihls für das heutige Stadtleben.

    Der Anstoss zur Stadtvereinigung ist aus Aussersihl gekommen, weil die Finanzen der stark gewachsenen Vorstadt aus dem Lot geraten sind. Deshalb hat der ehemalige Aussersihler Lehrer und Verleger Benjamin Fritschi – nach ihm sind die Fritschi-Wiese und die Fritschi-Strasse benannt – 1890 eine Petition lanciert, die die „Total-Zentralisation“ von Zürich und den Aussengemeinden sowie eine zinsfreie Anleihe für Aussersihl verlangt hat. Die Petition hat im Kanton Zürich Interessengegensätze ans Licht gebracht, die uns auch heute noch beschäftigen. „Auf dem Land“ ist ein starkes Misstrauen gegen die entstehende Grossstadt Zürich offensichtlich gewesen. Unterstützt worden ist diese Stimmung durch weitere Forderungen aus Aussersihl, das neben der Entschuldung und dem Zusammenschluss auch eine Einkommenssteuer und die Verlängerung der Schulpflicht auf acht Jahre auf die politische Agenda gesetzt hat.

    Doch warum hat die Arbeitervorstadt eine längere Schulpflicht gefordert und warum hat sich das Land dagegen gewehrt? Damit die Aussersihler Kinder zwischen Austritt aus der Volksschule und Eintritt in die Fabrik oder in eine Lehre nicht herumgelungert sind! Die Bauern auf dem Land haben es genau umgekehrt gesehen. Sie haben die Kinder möglichst schnell von der Schule weghaben wollen, um sie im Stall und auf dem Feld arbeiten zu lassen. Häufig nur, um selber noch einer Nebenbeschäftigung nachzugehen, die notwendig gewesen ist, um die oft stark verschuldeten und verarmten Kleinbauernfamilien notdürftig über die Runden zu bringen.

    Und warum hat sich Aussersihl für eine Einkommenssteuer stark gemacht? Im Kanton Zürich hat man damals nur eine Vermögenssteuer gekannt – aber keine Einkommenssteuern. Die Arbeiterfamilien und die Gewerbler in Aussersihl haben zwar Einkommen gehabt – aber Vermögen hat niemand ansparen können. Darum hat der Gemeinde Aussersihl das Geld für ihre Aufgaben gefehlt. Und darum ist Aussersihl finanziell in Schieflage geraten.

    Drei Jahre und drei Vernehmlassungsrunden nach Einreichung der Aussersihler Petition hat der Kantonsrat dem Stimmvolk dann drei inhaltlich abgestimmte, jedoch getrennte Vorlagen unterbreitet:
    – Ein «Verfassungsgesetz betreffend besondere Bestimmung für Gemeinden mit mehr als 10‘000 Einwohnern»,
    – das «Gesetz betreffend Zuteilung der Gemeinden Aussersihl, Enge, Fluntern, Hirslanden, Hottingen, Oberstrass, Riesbach, Unterstrass, Wiedikon, Wipkingen und Wollishofen an die Stadt Zürich und die Gemeindesteuern der Städte Zürich und Winterthur» und
    – separat einen Artikel aus dem Zuteilungsgesetz, der die Verlängerung der Schulpflicht für Neu-Zürich um zwei Jahre beinhaltet hat.

    Das Resultat ist eindeutig gewesen: Die beiden Gesetze sind deutlich gutgeheissen worden, die Verlängerung der Schulpflicht aber ebenso deutlich abgelehnt worden. Von den Aussengemeinden haben nur Wollishofen deutlich und die Enge sehr knapp gegen die Eingemeindung gestimmt.

    Nun zum Thema Zuwanderung:
    Vorneweg, ich meine damit nicht nur die Zuwanderung von Ausländer*innen. Ich bin 1984 auch eine Zuwanderin gewesen, einfach aus dem Kanton Aargau. Und ja: Ich sehe die Zuwanderung in erster Linie als ein Kompliment an unsere Stadt. Diese Stadt bietet Chancen auf ein besseres Leben, gute Jobs und gute Bildungsmöglichkeiten.
    Aussersihl ist bis auf den heutigen Tag der Ort, wo sich Migrant*innen – solche mit und solche ohne Schweizer Pass – wohl fühlen, wo sie eine Startchance sehen und wo sie auf Landsleute treffen und eine Community bilden können. Früher sind es die Italiener und die Italienerinnen gewesen, dann Jüdinnen und Juden, die vor den Pogromen in Osteuropa geflüchtet sind und im «Stedtl» an der Sihl einen sicheren Ort zum Leben gefunden haben. Heute stellen die Deutschen die grösste Gruppe unter den Aussersihler*innen ohne Schweizer Pass.

    Ich könnte hier noch lange erzählen, so vielfältig ist Aussersihl. Ich mache es aber kurz und empfehle das Kapitel «Quartierwelt – Weltquartier» zu lesen. Hannes Lindenmeyer beschreibt den Mikrokosmos Aussersihl wunderbar, ab Seite 41.

    Zum Schluss noch zwei, drei Gedanken zur Rolle Aussersihls für das Stadtleben von heute.

    Zürich gilt seit den 00er Jahren als Party-Stadt, als Stadt der Raves. Das Veranstaltungsangebot ist von einer beeindruckenden Breite, und auch das Filmangebot und die Qualität der Zürcher Gastronomie werden sehr geschätzt.

    Als ich nach Zürich gekommen bin, ist vieles davon im Entstehen gewesen – in Aussersihl. Auf dem Kanzlei-Areal hat sich das «Xenix» nach einer langen Wanderschaft, niedergelassen – und viel zum Aufleben der Filmstadt beigetragen.

    Oder ein anderes Beispiel: 1983 sind in der Schweiz private Radiostationen zugelassen worden. Radiopiraten wie Roger Schawinski oder Radio Banana aus dem Umfeld der 80er Bewegung sind damals längstens auf Sendung gewesen – aus WG-Estrichen in Aussersihl, resp. aus dem Radio 24-Studio in Italien.

    Als ich 1984 nach Zürich gekommen bin, hiess es in den Beizen um Mitternacht noch «letzte Runde» und dann austrinken. Um halb eins ist dann aufgestuhlt worden. Wer noch hat weitermachen wollen, der hat keine grosse Auswahl gehabt. Ausser in Aussersihl, legal in der «Helvti» oder illegal in einer der ziemlich verrauchten Kellerbars in irgendeinem Hinterhof an der Langstrasse.

    Aussersihl, das ist der Platz, an dem so vieles entstanden ist, was wir heute in Zürich als völlig normal anschauen. Zum Beispiel die lebendige Bar- und Beizen-Szene unserer Stadt. Sie hat in Aussersihl ihren Anfang genommen.

    Ich könnte noch vieles aufzählen, zum Beispiel von der Gruppe «Luft und Lärm», die als erste Zürcher Umweltaktion bezeichnet werden kann. Oder die frühen kommunalen Wohnsiedlungen wie der Erismannhof oder die ersten Bauten der Genossenschaften – die bis heute das Stadtbild im Sihlfeld dominieren und die den genossenschaftlichen Wohnungsbau in Zürich angestossen haben, der dann vor allem in den 1934 eingemeindeten Quartieren in Zürich Nord oder Zürich West ganze Stadtquartiere mit günstigen Wohnungen hat entstehen lassen. Heute leben in Zürich über 120’000 Menschen in einer städtischen oder in einer Genossenschaftswohnung. Auch hier ist Aussersihl am Anfang gestanden.

    Lieber Aussersihlerinnen und Aussersihler, es ist vieles angestossen worden in Ihrem Quartier, das für die ganze Stadt von grösster Bedeutung ist. Hannes Lindenmeyers Buch erzählt davon. Ich freue mich, wenn Aussersihl diese Rolle als Labor, als Inkubator und Brutkasten für die ganze Stadt weiter ausfüllt. Ich danke allen, die dazu einen Beitrag leisten.
    (Es gilt das gesprochene Wort.)

    Link zum Download der Rede:

    Rede Corinne Mauch zur Vernissage Aussersihl Bewegt

  • Rundgang zum Jubiläum

    Rundgang zum Jubiläum

    125 Jahre Vereinsgeschichte
    Drei Jahre nach der 1. Eingemeindung 1893 der Gemeinde Aussersihl zur Stadt Zürich fand am 4. September 1896 im damaligen Restaurant und Vereinshaus zur Sonne (s.Foto) die Gründungsversammlung des Quartiervereins statt.

    Foto: Amt für Städtebau / Baugeschichtliches Archiv Stadt Zürich

    Zum 125-järigen Bestehen wollten wir am 5. September 2021 auf dem Kanzlei-Areal eine kleine Feier mit Grill und Musik mit unseren Mitgliedern und weiteren Gästen durchführen.
    Aufgrund der COVID-Situation und den an uns geforderten Sicherheitsauflagen zum Erhalt einer Fest-Bewilligung, hat der Vorstand schweren Herzens beschlossen von einer Feier abzusehen und diese auf unbestimmte Zeit zu verschieben.

    Wir bieten unseren Mitgliedern und weiteren interessierten Personen deshalb zwei Rundgänge, zu Themen unseres Jubiläumsbuches an.

    Rundgang 1                   Sonntag, 26. September 2021               15.00-16.30 Uhr
    Rundgang 2                   Samstag, 30. Oktober 2021                    15.00-16.30 Uhr

    Start:                                 Kirche St. Jakob, Stauffacher
    Ziel:                                   Rotpunktverlag an der Hohlstrasse 86a, 8004 Zürich

    Online-Anmeldung:          www.8004.ch oder
    E-Mail:                              hannes.lindenmeyer@8004.ch

    Die Teilnehmerzahl ist pro Rundgang auf jeweils 20 Personen beschränkt!

    Sie werden an beiden Rundgängen von unserem Buchautor und OGK Präsidenten Hannes Lindenmeyer begleitet.

    Am Ende des Rundganges besteht für unsere Mitglieder sowie weiteren Teilnehmenden die Möglichkeit ihren Buch-Gutschein einzulösen oder unser Jubiläumsbuch zu CHF 42.00 zu erwerben.

    Falls Sie an keinen der Rundgänge teilnehmen können, besteht die Möglichkeit mit oder ohne Gutschein ein Jubiläumsbuch zu erwerben:

    • Rotpunktverlag, Hohlstrasse 86A, 8004 Zürich jeweils von Mo.-Fr. 14-17 Uhr  
      (mit/ohne Gutschein)
    • Ausserhalb den Öffnungszeiten via E-Mail an lindenmeyer@8004.ch.

     Bemerkung anfügen: «mit oder ohne Gutschein»

    Wir freuen uns auf eine zahlreiche Teilnahme zu den interessanten Rundgängen.

    Herzliche Grüsse und bleiben Sie weiterhin gesund.
    Quartierverein Aussersihl-Hard und Ortsgeschichtliche Kommission

    Ankündigung:
    Geplant ist im November 2021 zusätzlich eine öffentliche Veranstaltung zum Jubiläumsbuch im Café Boy durchzuführen. Das Veranstaltungsdatum steht zurzeit noch nicht fest. Wird auf unseren Webseiten www.8004.ch und www.ogk.8004.ch noch publiziert.

  • Negrellisteg: Ein historischer Brückenschlag

    Diese Woche eröffnen Stadt und SBB ein gemeinsames Bauwerk: Den Negrellisteg, eine Fussgängerbrücke über das Gleisfeld zwischen Europaallee und dem oberen Kreis 5 – eine erfreuliche, wenn auch bescheidene Wiedergutmachung eines uralten Sündenfalls der Stadtentwicklung.

    Foto: Nicole Soland – PS Zeitung

    Beitrag von Hannes Lindenmeyer
    Präsident der Ortsgeschichtlichen Kommission des Quartiervereins Aussersihl-Hard

    172 Jahren nach der Eröffnung der Spanisch Brötli Bahn von Zürich nach Baden werden die beiden seither getrennten Teile der einstigen Gemeinde Aussersihl an einem wichtigen Ort  miteinander verbunden. Die Aussersihler hatten sich damals wohl kaum vorgestellt, dass das erste Gleis im Sihlfeld nach rund 20 Jahren zu einer 250 bis 500 Meter breiten, unüberwindlichen  Gleiswüste anwachsen würde, die ihr Gemeindegebiet vollständig zweiteilte. Während andere europäische Städte Hochbahnen konstruierten, unter deren Viaduktbögen die innerstädtischen Verbindungen erhalten blieben, haben die Eisenbahnbarone keine Rücksicht auf die Lebensverhältnisse in der armen Vorortgemeinde Aussersihl genommen. Erst 1890 wurden die Linien nach Örlikon und ans rechte Zürichseeufer auf den Aussersihler- und den Lettenviadukt verlegt, aus rein bahntechnischen Gründen.

    Getrennte Quartiere

    Der Negrellisteg hat einen Vorgänger: Die Seufzerbrücke. An der Stelle des jetzt eingeweihten Stegs stand 1936 eine Passarelle mit einem „Befehlsstellwerk“ – das am ersten Tag voll versagte, die einfahrenden Züge blieben drei Stunden stehen – drum: Seufzerbrücke. Diese Passarelle war natürlich nur für Bahnpersonal benützbar. Die tausenden von Passanten die täglich zwischen den getrennten Stadtteilen zirkulierten, mussten sich jahrelang an einer Reihe von Barrieren, die die verschiedenen Gleise sicherten, gedulden – erst um 1890 machte die Unterführung die Langstrasse durchgängig. 

    In dieser Unterführung quälte der wachsende Autoverkehr die Fussgänger zunehmend mit Luft und Lärm. Das war auch der Name der Quartiergruppe, die ab 1977 in der Unterführung protestierte, anfänglich mit einer Gasmaskenaktion, später mit Strassentheater, schliesslich mit einem Aussersihler Sechseläuten. Ihr Erfolg: Die zwei Betonröhren, in der heute der tägliche Nahkampf zwischen Fuss- und Velovolk und E-Bikerasern ausgefochten wird.

    Nun bietet der neue Negrellisteg einen bequemen, aussichtsreichen Übergang bei guter Luft, unter freiem Himmel. Allerdings nur für Fussgänger und Veloschieber. Das erste, 2011 preisgekrönte Projekt von Flint&Neill, London, hatte eine für Velo befahrbare Konstruktion mit beidseitigen Rampen vorgesehen. Das hochelegante Projekt hätte sich den einfahrenden Zugpassagieren als strahlende Visitenkarte der Stadt gezeigt. Klar, mit 11 statt 30 Millionen muss auf Glanz verzichtet werden. Immerhin hat auch der jetzige  Negrellisteg etwas Schwung, leider bricht der an den beiden Enden abrupt ab. Aber Hauptsache: Er verbindet.  

    Ehre für Alois Negrelli

    Negrelli ist er geweiht: zu recht! Dem italienischen Ingenieur, der vor mehr als 200 Jahren für Zürich die erste Steinbrücke über die Limmat und die  bis heute schönste Brücke der Stadt konzipiert hat. Sein neuer Steg startet bei Gustav Gull, dem grossen Stadtbaumeister und bei Robert Stephenson, dem Erfinder der Eisenbahn und dem Vater des schweizerischen Eisenbahnnetzes. Und wo endet der Steg? An der Zollstrasse. Wie banal und ernüchternd nach so grossen Namen!

    Und die Frauen und Kinder?

    Die Quartiervereine Industriequartier und Aussersihl machen einen Vorschlag. Am Fusse der Treppe gibts ein schönes neues Plätzchen, bis jetzt namenlos. Ingenieure und Baumeister wurden schon geehrt, Brücken und Bahnen gewürdigt. Es wäre Zeit an die Menschen zu denken: An die Frauen und Kinder. Mit einem entsprechenden Namen für das neue Plätzchen lässt sich das nachholen. Es gibt eine historische Persönlichkeit die Generationen von Kindern das Leben der Kinder in den dunklen Anfangszeiten des Industriezeitalters in einer ergreifenden Kindergeschichte nahegebracht hat. Sie war Lehrerin im Lettenschulhaus und ist mit ihren Schulklassen oft der Sihl entlang spaziert: Olga Meyer. Mit dem „kleinen Mock“ hat sie das Kinderleben in der Stadt geschildert, als hier in Aussersihl noch bittere Armut herrschte. Olga Meyer hätte es verdient, dass sie an diesem Plätzchen im einstigen Industriequartier geehrt würde, in Gedenken an die tausenden Kinder die ein hartes Leben in der Frühzeit der Industriealisierung nicht nur im Zürcher Oberland – dort wo ihr „Anneli“ spielt – sondern auch im Arbeiterviertel Aussersihl erlitten haben. Die Quartiervereine haben zur Eröffnung des Negrellistegs eine entsprechende Eingabe an die Strassenbenennungskommission eingereicht.

    Pro Memoria

    Noch immer warten die beiden Quartiere auf die andere längst versprochene Wiedergutmachung: Die Vollendung des Lettenviadukts von der Josefswiese zur Hohlstrasse. 

    Hannes Lindenmeyer
    Präsident der Ortsgeschichtlichen Kommission – Quartierverein Aussersihl-Hard